Die Vorratsdatenspeicherung ist wieder aktuell. Nachdem das Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht entschieden haben, dass die Vorratsdatenspeicherung gegen Grundrechte verstößt, möchte der EU-Ministerrat eine Möglichkeit finden, bestehende Daten für die Bekämpfung schwerer Straftaten einzusetzen. Ob das gelingen wird, ist fraglich.
Was ist die Vorratsdatenspeicherung?
Unter Vorratsdatenspeicherung versteht man die anlasslose Speicherung von Standort- und Verbindungsdaten, d.h. die Speicherung ohne dass dafür ein konkreter Anlass gegeben ist. Sinn und Zweck der Speicherung dieser Daten ist eine verbesserte Verfolgung von schweren Straftaten. Auch zur Verhütung von Straftaten sollen sie eingesetzt werden können.
Warum ist sie problematisch?
Problematisch ist die Vorratsdatenspeicherung, weil sie eine Analyse des Betroffenen erlauben – so können soziale Netzwerke ausgewertet werden und ein Profil des Einzelnen erstellt werden, dessen Daten gespeichert werden. Auch deswegen ist die Vorratsdatenspeicherung heftig umstritten. Auf europäischer und auf deutscher Ebene bestehen Bedenken wegen Verstöße gegen die Grundrechte. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sieht ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 GG. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sieht in der Vorratsdatenspeicherung einen Verstoß gegen die europäischen Grundrechte.
Die Gerichte haben auch in konkreten Entscheidungen ihre rechtliche Auffassung begründet. Sehen Sie zur Übersichtlichkeit folgende Zeitachse:
- EU-Richtlinie 2006/24/EG vom 15.03.2006: Pflicht für alle Mitgliedstaaten, die Richtlinie in nationales Recht umzuwandeln und eine Vorratsdatenspeicherung einzuführen.
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Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG: Deutsches Gesetz von 2008 zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG.
- Urteil des BVerfG vom 02.03.2010: Vorratsdatenspeicherung ist verfassungswidrig.
- Urteil des EuGH vom 08.04.2014, Pressemitteilung: EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist ungültig wegen Verstoß gegen die Grundrechte-Charta der EU.
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Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten: Deutsches Gesetz von 2015 zur Einführung einer Speicherfrist ab dem 01.07.2017. Geplant war eine Verpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, ab dem 1. Juli 2017 Telefon- und Internetverbindungsdaten 10 Wochen lang zu speichern.
- Urteil des EuGH vom 21.12.2016, Pressemitteilung: EuGH bekräftigt, dass die Mitgliedstaaten den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste keine allgemeine Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung auferlegen dürfen.
- Beschluss des OVG NRW vom 22.06.2017, Pressemitteilung: Das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten ist nicht mit Recht der Europäischen Union vereinbar.
Was wird geplant?
Die Europäische Kommission plant eine E-Privacy-Verordnung, die mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 in Kraft treten soll. Zurzeit liegt sie nur als Entwurf vor. Informationen zu den geplanten Änderungen gegenüber der E-Privacy-Richtlinie 2002/58, ergänzt von Richtlinie 2009/136 (sog. Cookie-Richtlinie), finden Sie hier.
Trotz der rechtlichen Bedenken will sich der EU-Ministerrat jedoch nicht geschlagen geben. Die Präsidentschaft des EU-Ministerrates hatte eine Expertengruppe eingesetzt – die europäischen Justiz- und Innenminister sollen während ihres Treffens in Tallinn alle Möglichkeiten erwägen, um eine Nutzung von Telekommunikationsdaten dennoch zu ermöglichen. Dies ergibt sich aus einem internen Papier. Mit Hinweis auf die o.g. Entscheidung des EuGH konzentrierten sich die Minister u.a. auf die Verwertung bereits gespeicherter Daten und ob und wie diese für die Verhinderung und Verfolgung von Straftaten eingesetzt werden können.
Die weitere Entwicklung
Wie sich die Diskussion rund um eine Vorratsdatenspeicherung oder die Nutzung vorhandener Daten entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Datenschutzrechtlich gilt es hohe Hürden zu überwinden. Auch mit Hinblick auf Grundrechte haben die Gerichte erhebliche Zweifel geäußert, für die eine einfache Lösung nicht ohne weiteres ersichtlich ist.
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