Der Bundestag hat am heutigen Freitag mit einer großen Mehrheit die umstrittene Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Im Folgenden versuchen wir die wichtigsten Fragen zur Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung, dessen Name nun Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten lautet, zu beantworten.
Maas in der Defensive
Heiko Maas, Bundesjustizminister und früher Gegner dieser Handhabung, verteidigte vor der Abstimmung das Vorhaben. Zwar handele es sich um einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung, aber diese sei verhältnismäßig und auch rechtlich zulässig. Im Vergleich zur früheren Vorratsdatenspeicherung gäbe es verkürzte Fristen zur Speicherung. 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht die damalige Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung als nicht verfassungsgemäß eingestuft. Kritisiert wurde unter anderem die sechsmonatige anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten, dessen besonders schwerer Eingriff so nicht mit Art. 10 GG vereinbar war.
Welche Daten genau werden nun gespeichert?
Das Gesetz verpflichtet im neuen § 113b TKG sämtliche Telekommunikationsunternehmen zehn Wochen lang umfangreich Daten ihrer Kunden zu speichern. Im Einzelnen zählen dazu bei Telefondiensten u.a.:
- die Rufnummer des angerufenen Anschlusses
- Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Verbindung
- Standortdaten bei der Nutzung von Mobiltelefone (diese jedoch „nur“ vier Wochen)
Bei der Internetnutzung sind nunmehr zu speichern:
- die dem Teilnehmer für eine Internetnutzung zugewiesene Internetprotokoll-Adresse
- eine eindeutige Kennung des Anschlusses, über den die Internetnutzung erfolgt, sowie eine zugewiesene Benutzerkennung
- Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Internetnutzung unter der zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone.
Nach dieser Norm dürfen hingegen nicht gespeichert werden der Inhalt der Kommunikation, Daten über aufgerufene Internetseiten und Daten von Diensten der elektronischen Post.
Werden auch Inhaltsdaten erfasst?
Wie zuvor erwähnt, sollen keine Inhaltsdaten erfasst werden. Dies scheint aber nicht immer der Fall zu sein, wie eine Veröffentlichung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) zeigt. Danach werden derzeit von den Mobilfunkprovidern die Inhalte von versendeten SMS-Nachrichten abgefangen und zur Fehlererkennung abgespeichert. Begründet wird dieses damit, dass eine Trennung der Verkehrsdatenanteile und der Inhaltsanteile nicht stattfinde und dieses technisch auch nicht möglich sei.
Ist eine Auskunft ohne Richterbeschluss möglich?
Das Gesetz sieht im neuen § 113c TKG vor, dass die gespeicherten Daten grundsätzlich nur an Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden übermittelt werden dürfen. Ein Richtervorbehalt ist diesbezüglich nicht vorgesehen. Anders sieht es hinsichtlich der Zugriffsmöglichkeiten auf die gespeicherten Daten aus. In der Strafprozessordnung ist im neu geschaffenen § 101a StPO-E hinsichtlich der Auswertungsmöglichkeit über Verweise auf andere bereits vorhandene Normen ein Richtervorbehalt vorgesehen.
Haben Verfassungsschutz und Geheimdienste Zugriff auf die Daten?
Als Justizminister Maas im April den Gesetzesentwurf vorstellte, antworte dieser auf die Frage von Andre Meister (netzpolitik.org) zur Rolle der Geheimdienste in diesem Gesetz:
„Naja, in den Genuss dieses Gesetzes kommen nur die, die auch erwähnt werden, also nicht der Verfassungsschutz. Der ist auch nicht aufgeführt als eine Behörde, die dort abfragen kann zur Gefahrenabwehr.“
Und auf erneute Nachfrage:
“Der Verfassungsschutz, das Verfassungsschutz-Amt ist in dem Gesetz nicht vorgesehen für einen Zugriff nach den Regeln, die wir in diesem Gesetz vorschlagen werden.“
Wie das jedoch mit dem derzeitigen § 113 TKG, wonach u.a. die Verfassungsschutzbehörden indirekt von den Telekommunikationsanbietern darüber Auskunft erhalten können, wem eine bestimmte IP-Adresse im Internet zu einem bestimmten Zeitpunkt gehörte in Einklang zu bringen ist, erschließt sich derzeit nicht.
Wird das Bundesverfassungsgericht das Gesetz wieder kippen?
Justizminister Maas betont zwar, dass man die Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung vollumfänglich gerecht worden sei, dennoch ist es gut möglich, das Karlsruhe wieder einmal eingreifen wird. Die Opposition hat bereits angekündigt, erneut vor dem Bundesverfassungsgericht klagen zu wollen, da auch dieses Mal unverhältnismäßig Grundrechte verletzt werden. Und auch die EU-Kommission zeigt sich angesichts mehrerer Ungenauigkeiten sehr kritisch.
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